3. Buchpatenschaft der Kreissparkasse Mayen

Vorstellung der 3. Buchpatenschaft der Kreissparkasse Mayen am 21. Februar 2019

Das im Krieg beschädigte Werk "Historische Chronica" von Johann, Ludovic Gottfrid aus dem Jahr 1642 wurde mit Hilfe einer Buchpatenschaft der Kreissparkasse Mayen restauriert und der Öffentlichkeit vorgestellt.

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Buchvorstellung durch Prof. Dr. Wolfgang Schmid (Mitte)

Personen (von links): Dr. Bernd Oesterwind (Direktor des Eifelmuseums), Joachim Rogalski (Vorsitzender der Eifelvereinsortsguppe Mayen), Katrin Heykens (Eifelbücherei), Dr. Wolfgang Zäck (Eifelbücherei), Laura Huth (Eifelbücherei), Prof. Dr. Wolfgang Schmid (Hauptkulturwart des Eifelvereins), Landrat Dr. Alexander Saftig, Wolfgang Reppenhagen (Bezirkswegewart), Karl-Josef Esch (Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Mayen), Hans Schüller (Vorsitzender des Geschichts- und Altertumsvereins Mayen), Lea Bales (Geschäftsführerin der Bezirksgruppe des Eifelvereins)

Gruppenfotos: Ralph Künzel (KSK-Mayen)

Fotos ausgewählter Buchseiten: Prof. Dr. Wolfgang Schmid

  • 001 Historische Chronik Von Johann Ludovic Gottfrid
  • 002 Vorstellung Des Restaurierten Werkes
  • 003 Restauriertes Werk Mit Noch Sichtbarem Granatsplittereinschuss
  • 004 Historische Chronik Vor Der Restaurierung Mit Erkennbarer Beschädigung Durch Granatsplitter
  • 005 Vorstellung Des Restaurierten Werkes Durch Prof. Dr. Wolfgang Schmid
  • 006
  • 007
  • 008
  • 009 Sichtbare Beschädigung Durch Granatsplittereinschuss
  • 010 PragerFenstersturz
  • 011 WeltwunderPyramiden
  • 012
  • 013
  • 014

 

Dritte Buchpatenschaft der Kreissparkasse Mayen für die Eifelbibliothek
Großer Bahnhof im Eifelmuseum auf der Genovevaburg in Mayen: Anlässlich der Vorstellung der dritten Buchpatenschaft der Kreissparkasse Mayen am 21. Februar konnte der Hauptkulturwart des Eifelvereins, Prof. Dr. Wolfgang Schmid, den Vorstandsvorsitzenden der Kreissparkasse Mayen, Karl-Josef Esch, begrüßen, Weitere Gäste waren von der Kreisverwaltung Landrat Dr. Alexander Saftig, der Vorsitzende, und Lea Bales, die Geschäftsführerin der Bezirksgruppe des Eifelvereins, sowie Wolfgang Reppenhagen, der Bezirkswegewart. Weitere Gäste waren Joachim Rogalski, Vorsitzender der Ortsgruppe Mayen des Eifelvereins, und Hans Schüller, Vorsitzender des Geschichts- und Altertumsvereins Mayen. Weiter konnte er den Direktor des Eifelmuseums, Dr. Bernd C. Oesterwind, sowie Kathrin Heyken, Laura Huth und Dr. Wolfgang Zäck vom Team der Bücherei begrüßen.
Die Eifelbibliothek auf der Genovevaburg in Mayen sammelt die komplette landeskundliche Literatur für die gesamte Eifel. Sie besitzt zudem wertvolle Altbestände, an denen der Zahn der Zeit genagt hat und für deren Restaurierung die Kreissparkasse Mayen schon zweimal eine Buchpatenschaft übernommen hat. Die alten Bücher sind nicht nur wertvolle Kunstwerke und erhaltenswerte Bestandteile des kulturellen Erbes unserer Region, sondern auch wichtige Geschichtsdokumente. Jetzt konnte das im Krieg massiv beschädigte Werk „Historische Chronick oder Beschreibung der merckwürdigsten Geschichte“ von Johann Ludwig Gottlieb aus dem Jahre 1642 restauriert und der Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Johann Ludwig Gottlieb wurde um 1584 geboren, studierte in Heidelberg Theologie und war dann Pfarrer der reformierten Gemeinde in Offenbach am Main. In Oppenheim, wo sich reformierte Glaubensflüchtlinge niedergelassen hatten, knüpfte er Kontakte zu dem Verleger Johann Theodor de Bry, für den er als Lektor, Übersetzer und Autor tätig war. Über ihn lernte er dessen Schwiegersohn, den Frankfurter Kupferstecher und Verleger Matthäus Merian kennen.
In Frankfurt wurden im 16. und 17. Jahrhundert zahlreiche wissenschaftliche Werke gedruckt, die mit qualitätsvollen, oft großformatigen Kupferstichen ausgestattet waren. Damals waren neben Kupferstechern und Autoren auch Übersetzer gesucht, die lateinische, französische und italienische Werke ins Deutsche übertrugen. Bekannte Bespiele sind die 30-bändige „Topographia Germaniae“ von Matthäus Merian mit ihren berühmten Stadtansichten (1642-1654) und das von dem Verleger Sigmund Feyerabend 1583 auf den Markt gebrachte Kompendium „New Feldt und Ackerbaw”, die deutsche Übersetzung eines Kompendiums des italienischen Humanisten Petrus de Crescentiis. Das Werk befindet sich ebenfalls in der Eifelbibliothek und konnte vor einigen Jahren durch eine Buchpatenschaft restauriert werden.
Gottlieb verfasste zahlreiche Übersetzungen. Bekannt geworden ist vor allem seine „Newe Welt und americanische Historien: inhaltende warhafftige und volkommene Beschreibungen aller West-indianischen Landschafften …” (1631). Die „Kleinen Reisen” und die „Großen Reisen” (1625, 1630) beschreiben die Fahrten bedeutender Entdecker in den Orient und in die Neue Welt. Zu nennen sind weiter seine deutsche Nacherzählung der Metamorphosen des Ovid (1619), seine Texte zu Merians Bilderbibel „Biblia Sacra” (1625-1629) und zu Merians Stadtansicht von Frankfurt (1628).
Gottliebs Hauptwerk ist die „Historische Chronick oder Beschreibung der merckwürdigsten Geschichte“. Sie erschien in zwei Bänden, von denen die Eifelbibliothek den ersten besitzt: „So sich von Anfang der Welt bis auf das Jahr Christi 1619 zugetragen“. Der zweite Band stellt eine Fortsetzung dar: „So sich von Anno 1618 bis zu Ende des Jahrs 1659 zugetragen“. Das Buch wurde zum Bestseller: Er erschien in mehreren Lieferungen von 1629 bis kurz nach Gottfrieds Tod 1634. Bereits 1642 konnte Merian eine zweite, 1657 eine dritte, 1674 Merians Erben eine vierte und 1710 eine fünfte Ausgabe auf den Markt bringen. Ein Nachdruck erschien 1743, drei holländische Ausgaben 1660, 1698 und 1702. Heute ist das Buch nur noch in ganz wenigen Bibliotheken vorhanden. Die Universitätsbibliothek Duisburg hat es digital zugänglich gemacht ( http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hbz:061:1-19618). Im Antiquariatshandel ist der Band nicht zu bekommen, so dass sich der materielle Wert nicht beziffern lässt; Besitzer zerlegen ihn lieber, um die wertvollen Kupferstiche einzeln verkaufen.
Gottliebs „Historische Chronica“ war das populärste Werk der deutschsprachigen Geschichtsschreibung des 17. und 18. Jahrhunderts. Auch der junge Goethe bezog, wie er selbst berichtet, seine Geschichtskenntnisse daraus. Wissenschaftsgeschichtlich gesehen ist sie die letzte der sog. Weltchroniken, die die Geschichte der Menschheit als Heilsgeschichte deuten: Sie beginnt als Universalgeschichte mit der Erschaffung der Welt und behandelt die Zeit des Alten und des Neuen Testaments, die römischer Antike, das Mittelalter und die Gegenwart, um dann auf das Jüngste Gericht zu verweisen. Die Weltgeschichte ist dabei ein ständiger Kampf zwischen den guten und den bösen Mächten. Gottlieb kompilierte zahlreche Vorlagen, auf die er penibel verwies, und er brachte sie in eine bemerkenswert volkstümliche frühbarocke Sprache.
Was den besonderen Wert des Bandes ausmacht, sind seine Illustrationen. Vorgebunden sind 28 Tafeln mit je zwölf Portraitmedaillons, die Könige, Kaiser und Autoren bis hin zu dem 1657 gestorbenen Kaiser Ferdinand III. zeigen. Besonders hervorzuheben ist die Tafel VI: Hier ist der im Hochdruck gesetzte Text richtig gedruckt, der in einem anderen Arbeitsgang im Tiefdruck hergestellte Kupferstich dagegen steht auf dem Kopf. So lässt sich ein Blick auf die Arbeit in einer frühneuzeitlichen Druckerei werfen.
Es folgt eine ausklappbare Weltkarte, die zeigt, dass man damals von der Topographie von Nordamerika noch eine recht vage Vorstellung hatte. Zahlreiche halbseitige Kupferstiche schmücken den Band, sie zeigen ein Bild der biblischen, der römischen und der mittelalterlichen Geschichte; in vielen Fällen lassen sich die Vorlagen, z. B. von Peter Paul Rubens, bestimmen. Während Gottlieb bis hierher die bekannten Geschichtsschreiber referiert, betritt er im achten Teil, der die Jahre 1601 bis 1618 behandelt, Neuland; hier können die Illustrationen schon als zeitgeschichtliche Bilddokumente gelten, etwa die in Frankfurt stattfindende Wahl von Kaiser Matthias, der Prager Fenstersturz oder der Frankfurter Fettmilch-Aufstand. Die Chronik ist so auch ein wichtiges Zeitdokument aus den Jahren des Dreißigjährigen Krieges.
Weiter macht ein Besitzeintrag den Band zu einem kulturhistorischen Dokument: Wir finden ein handschriftliches Exlibris von Johann Hagemann, Vikar an dem Ritterstift St. Alban in Mainz, aus dem Jahre 1778. Hagemann war ein bekannter Mainzer Historiker und Büchersammler, in der Stadtbibliothek Mainz hat sich eine deutsche Übersetzung von Leonardo da Vincis Traktat von der Malerei von 1547 aus seinem Besitz erhalten.
Unser Buch ist aber noch in anderer Hinsicht ein Geschichtsdenkmal: Nach der Signatur und den Besitzstempeln zu urteilen, gehört es zum Altbestand der Eifelbibliothek. Am 25. August 1942 traf eine Luftmine den städtischen Gaskessel in der Nähe der Genovevaburg und verursachte eine gewaltige Explosion. Es gibt einen Bericht von Studienrat Ernst Nick, der die Bibliothek seinerzeit betreute, wonach Fenster und Wände eingedrückt wurden und er die Bücher aus den Trümmern aufgelesen hat. Studienrat Nick warf den beschädigten Band nicht weg, sondern deponierte ihn mit weiteren Dokumenten in einem Regal, wo er erst 2015 bei Aufräumarbeiten gefunden werden konnte. Er war im Katalog nicht verzeichnet, die Signatur wurde neu vergeben.
Durch den Bombentreffer wurde der Buchblock aus seinem Einband gerissen. Das Titelblatt ging wohl schon früh verloren, der Titel, die Namen des Autors und des Kupferstechers stehen handschriftlich auf dem Vorsatz. Beträchtliche Schäden verursachte ein Bombensplitter, der sich durch den Buchdeckel gebohrt und dann viele Blätter durchstoßen hat, bevor er stecken blieb. Hinzu kommen die üblichen Benutzerspuren aus drei Jahrhunderten: Blätter wurden geknickt und eingerissen, Ausklapptafeln beim häufigen Auseinanderfalten beschädigt. In vielen Arbeitsstunden wurden jetzt die Löcher und Risse mit Japanpapier hinterlegt und der Buchblock neu gebunden. Der Band besitzt jetzt wieder seinen noch aus dem 17. Jahrhundert stammenden, mit einer aufwendigen Blindprägung verzierten Einband.
Gottliebs Chronik ist somit nicht nur das bedeutendste deutschsprachige illustrierte Werk der Geschichtsschreibung des 17. Jahrhunderts, das einen breiten Leserkreis erreichte, sondern auch ein Geschichtsdokument für das Schicksal der Eifel im Zweiten Weltkrieg. Während die Häuser längst wieder aufgebaut sind, zeigt es exemplarisch, wie viele Kulturgüter damals zerstört bzw. beschädigt worden sind.

Wolfgang Schmid

 

 

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